Forschungszentrum für Psychische
Gesundheit in Mitteldeutschland – Ausbauphase gestartet
01.09.2025 - Forschende in Halle, Jena und Magdeburg erhalten in den kommenden fünf Jahren 17,3 Millionen Euro für Projekte zur Erforschung psychischer Erkrankungen.
Psychische Erkrankungen zählen zu den häufigsten und besonders belastenden Volkskrankheiten. Steigende Zahlen bei Krankheitsfällen und Erwerbsunfähigkeit unterstreichen die Bedeutung dieses medizinischen und gesellschaftlichen Problems. Für Forschungsprojekte in Halle, Jena und Magdeburg, die die Entstehung psychischer Erkrankungen untersuchen, stellt das Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt in den kommenden fünf Jahren insgesamt 17,3 Millionen Euro zur Verfügung. Ziel der Forschung ist ein detaillierteres Verständnis dieser Krankheiten, um die Versorgung und Prävention verbessern zu können.
Damit startet die Ausbauphase des mitteldeutschen Standortes des Deutschen Zentrums für Psychische Gesundheit (DZPG), das seit 2023 an bundesweit sechs Standorten die Forschungsexpertise unterschiedlicher Fachdisziplinen auf diesem Gebiet gebündelt. „Eine verlässliche, langfristig planbare Förderung ist unerlässlich für die Zusammenführung aller relevanten Forschungsbereiche und die Verwertung neuartiger Erkenntnisse im klinischen und gesellschaftlichen Kontext“, sagt Prof. Martin Walter, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Jena und Sprecher des mitteldeutschen DZPG-Standortes Halle-Jena-Magdeburg. Hier werden über 50 Forschende in sieben Schwerpunktprojekten vor allem die Funktionsweise des Gehirns in den Blick nehmen und die Veränderung von Hirnschaltkreisen unter günstigen und schädlichen Bedingungen untersuchen, von sozialer Interaktion bis zu Entzündungsmechanismen.
Magdeburg baut Bildgebung, Datenforschung und molekulare Methoden weiter aus
In Magdeburg wird die Förderverlängerung genutzt, um die Verbindung von klinischer Psychiatrie, Neurowissenschaften sowie Daten- und Bildgebungsforschung weiter auszubauen. Das stärkt den Wissenschaftsstandort Magdeburg und hat gleichzeitig eine große Bedeutung für Lehre, Nachwuchsförderung und Versorgungsperspektiven. „Wir freuen uns über den Start der Ausbauphase des DZPG in Mitteldeutschland. Sie ermöglicht nicht nur die gezielte Weiterentwicklung unserer wissenschaftlichen Schwerpunkte, sondern schafft auch verlässliche Perspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs, von der Ausbildung junger Forschender bis hin zur Einbindung von Medizinstudierenden in exzellente Forschungsprojekte. Langfristig profitieren davon vor allem die Patientinnen und Patienten. Denn innovative Diagnostik und Therapieansätze können so schneller den Weg in die klinische Versorgung finden“, betont Prof. Dr. Daniela C. Dieterich, Dekanin der Medizinischen Fakultät Magdeburg.
Neben der Universitätsmedizin Magdeburg sind das Leibniz-Institut für Neurobiologie (LIN), die Fakultät für Naturwissenschaften der Otto-von-Guericke-Universität und das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) maßgeblich beteiligt. Diese Allianz ermöglicht es, die gesamte Kette von molekularen Grundlagen bis zur klinischen Anwendung abzudecken.
Zu den zentralen Projekten zählen der Aufbau eines 7-Tesla-Bildgebungsnetzwerks, mit dem individuelle Krankheitsverläufe präziser vorhergesagt und Therapien gezielter ausgewählt werden können. Hinzu kommt die enge Verzahnung von Grundlagen- und klinischer Forschung, etwa zur Rolle von Gedächtnis- und Emotionsprozessen bei psychischen Erkrankungen. Darüber hinaus gestaltet Magdeburg die Weiterentwicklung des Daten- und Wissensmanagements im DZPG-Verbund aktiv mit, von zentralen Datenhaltungen über föderierte Datenräume bis hin zu Trainingsprogrammen für Datenexpertinnen und -experten. Ein weiterer Fokus liegt auf der Nachwuchsförderung im Rahmen des Programms DZPG Visions, das jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Magdeburg neue Perspektiven eröffnet.
Ab 2028 übernimmt die Universitätsmedizin Magdeburg die Verbundkoordination des gesamten mitteldeutschen DZPG-Standortes. Die Sprecherfunktion geht dann auf Prof. Dr. Thomas Nickl-Jockschat über, Direktor der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie Magdeburg sowie Standortleiter in Magdeburg. Er erklärt: „Die besondere Stärke des mitteldeutschen Verbundes liegt in der Bündelung der Expertise an den einzelnen Standorten. Magdeburg leistet hierbei einen wichtigen Beitrag. Wir verfügen auf unserem Campus gemeinsam mit unseren Partnern über eine exzellente Ausstattung und enorme Expertise im Bereich der Bildgebung und molekularen Neurowissenschaften. Diese Kombination erlaubt uns, frühe Veränderungen im Gehirn sichtbar zu machen. So lassen sich Therapien präziser individualisieren und kontrollieren. Darauf aufbauend entwickeln wir neue Medikamente, Psychotherapien und nicht-invasive Stimulationstechniken und prüfen deren Wirksamkeit. Zudem arbeiten wir an smarten, tragbaren Systemen, die psychische Zustände erfassen und therapeutisch nutzbar machen.“
Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei in der Anwendung moderner molekularer Techniken wie der räumlichen Transkriptomik. „Mit dieser Methode können wir genau sehen, welche Gene in welchen Zellen eines Gewebes aktiv sind und das direkt an ihrem natürlichen Platz im Gehirn. So entsteht eine Art Landkarte der Genaktivität, die uns hilft zu verstehen, wie Nervenzellen miteinander arbeiten“, erklärt Prof. Dr. Stefan Remy, Wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für Neurobiologie. „Damit sind wir in Magdeburg Vorreiter und können neue Einblicke in die Entstehung und Behandlung von neuropsychiatrischen Erkrankungen gewinnen.“
Im mitteldeutschen DZPG-Standort arbeiten die Universitäten in Jena, Halle und Magdeburg, deren Universitätskliniken sowie die außeruniversitären Leibniz-Institute für Neurobiologie in Magdeburg und für Naturstoffforschung und Infektionsbiologie in Jena zusammen.
Messung der Gehirnaktivität mit einem Elektro-Enzephalogramm (EEG), Foto: Jana Dünnhaupt/Uni Magdeburg
Text: OVGU/FME