Warum wir einander helfen -
Europäische Spitzenförderung für LIN-Forscherin Sanja Bauer Mikulovic
04.09.2025 - 1,5 Millionen Euro ERC Starting Grant für Sanja Bauer Mikulovic
Die Neurowissenschaftlerin Sanja Bauer Mikulovic vom Leibniz-Institut für Neurobiologie (LIN) erhält einen ERC Starting Grant des Europäischen Forschungsrats. Der Preis gilt als höchstes Gütesiegel für exzellente Forschung in Europa und unterstützt besonders mutige Projekte. Mit den diesjährigen Starting Grants stärkt der ERC europaweit 478 vielversprechende Karrieren in der Spitzenforschung – eine davon ist nun in Magdeburg beheimatet.
Gefördert mit rund 1,5 Millionen Euro will Bauer Mikulovic in den kommenden fünf Jahren erforschen, wie Denken und Fühlen im Gehirn verschaltet sind – und warum diese Verbindung manchmal versagt. Ihre Hypothese: Empathielosigkeit könnte ein neurobiologisch lösbares Problem sein. Sollte sich das bestätigen, eröffnet dies langfristig neue Perspektiven – bis hin zu Therapien für Menschen mit schweren Empathiestörungen, etwa bei Psychopathie.
„Mich bewegt die Frage, warum wir einander helfen – und warum manche keine Empathie zeigen. Wenn wir die Schaltkreise im Gehirn verstehen, können wir Wege finden, Mitgefühl gezielt zu stärken“, sagt Sanja Bauer Mikulovic.
„Befreiungszellen“ im Gehirn
Ihre Forschung baut auf eigenen Pionierarbeiten auf. In Experimenten zeigte ihr Team, dass Mäuse in Not geratene Artgenossen befreien. Dabei werden im Hippocampus spezielle Nervenzellen aktiv, die sie „Befreiungszellen“ nennt. Diese Zellen verstärken ihre Verbindungen, je häufiger geholfen wird. Helfen wird also wahrscheinlicher.
Etwa fünf Prozent der Tiere helfen jedoch nie – ein Anteil, der an den bei Menschen mit gestörter Empathie erinnert. Dieser Befund war Ausgangspunkt für die nun bewilligte ERCFörderung.
Forschungsziele
Mit der Förderung will Bauer Mikulovic systematisch untersuchen,
• welche Schaltkreise im Hippocampus Empathie steuern,
• wie kognitive und emotionale Bereiche zusammenarbeiten,
• wie Botenstoffe wie Dopamin, Serotonin, Noradrenalin und Oxytocin Hilfsbereitschaft beeinflussen,
• wie Empathie in Mausmodellen für Autismus und Psychopathie verändert sind,
• und ob Empathie durch gezielte Eingriffe in Nervenzellen oder Neurotransmittersysteme gestärkt werden kann.
„Das ERC-Projekt von Sanja Bauer Mikulovic zeigt exemplarisch, wofür das LIN steht: Wir erforschen, wie das Gehirn Wahrnehmung, Gedächtnis und Handeln organisiert. Empathie entsteht genau im Zusammenspiel dieser Prozesse – und ihre Forschung eröffnet hier neue Perspektiven“, betont Stefan Remy, Wissenschaftlicher Geschäftsführer des LIN, den Erfolg.
Der ERC Grant
Nur etwa zehn von hundert Anträgen auf einen ERC Starting Grant werden bewilligt. Dieses Jahr reichten 3.928 Forschende einen Antrag ein – ein Plus von 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Gefördert werden nur gut 12 Prozent davon. Sanja Bauer Mikulovic gehört nun zu den wenigen, die den Zuschlag erhielten. „Dieser Grant gibt mir die Freiheit, meine Herzensfrage zu erforschen: warum wir helfen – und warum manche nicht“, sagt sie.
Sanja Bauer Mikulovic wird mit einem ERC Starting Grant gefördert für ihre Arbeit, wie Empathie im Gehirn entsteht – und warum sie manchmal versagt, Foto: Tobias Kruse / OSTKREUZ
Text: LIN