Neue Leitung im Referat für Forschung
22.09.2020 - Magdeburg (FME) - „Die Nähe zu den anderen technischen Fakultäten der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg ist definitiv eine Stärke, die wir als medizinische Fakultät in Zukunft noch besser nutzen können und sollten“
Dr. Heike Kaasch ist seit dem 1. September die erste Ansprechpartnerin im Referat für Forschung (REFO) an der Medizinischen Fakultät der Otto-von Guericke-Universität Magdeburg. Damit löst die 45-Jährige den bisherigen Leiter Dipl.- Phys. Sigmar Beust, der diese Funktion seit 1993 innehatte, ab. Sigmar Beust war damit der dienstälteste Forschungsreferent aller deutschen Medizinischen Fakultäten. Zuletzt arbeitete Dr. Heike Kaasch als wissenschaftliche Referentin beim DLR Projektträger im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. in Bonn. In einem Interview haben wir mit Dr. Kaasch über ihr neues Aufgabenfeld und die Bedeutung von wissenschaftlichem Nachwuchs in der Medizinischen Forschung gesprochen und dabei auch gefragt, vor welchen Herausforderungen die künftige Forschungsförderung steht.
FRAGE: Das Referat für Forschung (REFO) ist Bestandteil der akademischen Verwaltung und direkt dem Dekanat zugeordnet. Welche Aufgaben hat das Referat, Frau Dr. Kaasch?
Kurz gesagt unterstützen wir die Wissenschaftler*innen hier am Standort dabei, ihre Forschungsprojekte umzusetzen. Dazu zählen unter anderem auch die Begleitung und strategische Unterstützung der Planungen für Forschungsinfrastrukturen an der Medizinischen Fakultät. Das REFO engagiert sich auch im Bereich der Nachwuchsförderung. Wir unterstützen die Kommission zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses bei ihrer Arbeit zum Beispiel bei der Vergabe von Promotionsstipendien, bei der jährlichen Suche nach der/den besten Doktorand*innen und bei der Auswahl von Kandidat*innen für die Nachwuchsforschungspreise in den Kategorien Klinische Forschung und Biomedizinische Forschung mit je 5.000 Euro Preisgeld. Über den Nachwuchsfonds können wir Nachwuchswissenschaftler*innen dabei unterstützen, sich national und international zu vernetzen und ihre Forschung auf externen Kongressen, Tagungen und bei anderen Einrichtungen vorzustellen. Wir leisten in enger Zusammenarbeit mit dem Referat für Drittmittelverwaltung aber auch Hilfestellung bei der Einwerbung von Drittmitteln. Hier wollen wir künftig noch enger begleiten und beraten. Das REFO organisiert und koordiniert auch jährlich das Programm zur ‚Langen Nacht der Wissenschaft‘ hier auf dem Medizin Campus.
FRAGE: Frau Dr. Kaasch, mit über 15 Jahren Ihrer Forschungs- und Forschungsfördererfahrung wissen Sie nur zu gut, dass Forschungsleistung immer auch finanziert werden muss. Die Hochschulen sind aber – wie die Bundesländer als ihre Geldgeber – knapp bei Kasse. Deshalb sind in den vergangenen Jahrzehnten öffentliche und private Drittmittel immer wichtiger geworden – auch für die Medizinische Fakultät?
Absolut! Alle medizinischen Fakultäten sind mittlerweile abhängig von Drittmitteln. Auch in Magdeburg wird einiges an Geld eingeworben. 2019 hat die Medizinische Fakultät – als größte von insgesamt neun der OVGU – knapp 39,5 % der gesamten Drittmittel der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg eingeworben. Im Vergleich zu anderen medizinischen Fakultäten könnte es aber durchaus noch etwas mehr werden.
Hinzukommt, dass der Erfolg bei Drittmittelanträgen auch für die Laufbahn sowohl für junge als auch für etablierte Wissenschaftlern*innen von enormer Bedeutung ist und die Chancen in einem Berufungsverfahren steigert.
FRAGE: Das Forschungsprofil der Fakultät umfasst zwei Schwerpunkte: Immunologie einschließlich Molekulare Medizin der Entzündung und Neurowissenschaften. Welche Rolle spielt dabei der wissenschaftliche Nachwuchs und was kann die Medizinische Fakultät Magdeburg für junge Wissenschaftler*innen bieten?
Um Spitzenforschung zu betreiben und als Universitätsmedizin Magdeburg konkurrenzfähig zu bleiben, wird es immer wichtiger, den eigenen wissenschaftlichen Nachwuchs gut und strukturiert auszubilden. Hier an der Medizinischen Fakultät ist es gelungen, zusätzlich zu dem Graduiertenkolleg in dem von der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) geförderten Sonderforschungsbereich 854 Molekulare Organisation der zellulären Kommunikation im Immunsystem 2018 zwei weitere strukturierte Doktorandenprogramme bei der DFG einzuwerben. Beide passend zu den Forschungsschwerpunkten der Fakultät. Das ist zum einen das DFG-Graduiertenkolleg 2408 Maladaptive Prozesse an physiologischen Grenzflächen bei chronischen Erkrankungen und zum anderen das DFG-Graduiertenkolleg 2413 (SynAGE) Die alternde Synapse – molekulare, zelluläre und verhaltensbiologische Mechanismen des kognitiven Leistungsabfalls.
Neben den beiden Graduiertenkollegs wird auch die Fortsetzung des Else Kröner-Forschungskollegs Magdeburg (EKFK) erneut von der Fresenius-Stiftung gefördert. In dem EKFK können sich forschungsinteressierte Ärzt*innen (Clinician Scientists) eine Auszeit von den klinischen Verpflichtungen nehmen und sich mit einem hochkarätigen klinischen Forschungsprojekt befassen. Zentrales Thema des Kollegs ist die Frage, welche molekularen und zellulären Prozesse dazu führen, dass aus entzündlichen Prozessen Krebserkrankungen entstehen.
Ganz wichtig zu erwähnen ist auch das CBBS – Center for Behavioral Brain Sciences. Mit dem CBBS werden insbesondere exzellente Nachwuchswissenschaftler*innen auf dem Gebiet der Neurowissenschaften gefördert und können schon sehr früh unabhängig ihrer Forschung nachgehen. Magdeburg ist in dem Bereich der Neurowissenschaften ein national sowie international anerkannter Forschungsstandort. Den jungen Wissenschaftler*innen steht mit dem CBBS ein kompletter Verbund weiterer Akteure neurowissenschaftlicher Forschung aus sechs weiteren Fakultäten der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, dem Leibniz-Institut für Neurobiologie (LIN) sowie dem Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) zur Verfügung.
FRAGE: Ist es richtig, dass ein neuer Sonderforschungsbereich (SFB) für die Neurowissenschaften hinzukommen soll?
Ja, das stimmt. Der SFB 1436 Neurale Ressourcen der Kognition wird derzeit noch begutachtet und wäre eine ideale Ergänzung. Nach insgesamt 12 Jahren ist die Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für den vorherigen SFB 779 Neurobiologie motivierten Verhaltens auf dem Gebiet der Neurowissenschaften Ende 2019 ausgelaufen.
FRAGE: Einige öffentliche Fördereinrichtungen sind mitunter sehr streng, wenn es um die Qualität der Förderanträge geht. Wie unterstützt das Referat für Forschung Wissenschaftler*innen bei der Antragstellung?
Bisher haben wir ‚nur‘ eine Kostenprüfung durchgeführt und die formelle Prüfung bzgl. der Förderfähigkeit und Rechtsverbindlichkeit bei der Einreichung von Anträgen zum Beispiel beim Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) vorgenommen. Das ist sehr wichtig, damit nicht unnötig Gelder verloren gehen und wird in Zusammenarbeit mit Melanie Thurow und dem neuen Referat für Drittmittelverwaltung weiterhin ein wichtiger Teil der Antragsberatung durch das REFO bleiben. Zukünftig möchte ich die Beratung aber erheblich erweitern. Aufgrund meiner Erfahrungen beim DLR Projektträger könnte ich unsere Wissenschaftler*innen auch strategisch und administrativ beraten. Idealerweise melden sich die Projektleitenden bei uns frühzeitig mit ihren Ideen und binden uns dann eng in den Prozess der Antragstellung ein. Hier helfen auch meine bundesweite Vernetzung zu Förderträgern und das Wissen um die Bundes- und EU-Strategien zur Forschung, denn die Ausschreibungen sind oft politisch motiviert, um letztendlich aktuelle Probleme zu lösen – wie z. B. gegen COVID-19. Ich möchte auch die Wissenschaftler*innen stärker in die Strategieprozesse einbinden, damit sie die Förderung zu den ‚Brennpunkten‘ leiten. Das geschieht auf EU-Ebene beispielsweise durch Online-Konsultationen, zu denen jeder beitragen und damit die Förderlandschaft auch gestalten kann.
Außerdem überarbeiten wir den Webauftritt und intensivieren die Digitalisierung der Drittmittelverwaltung. Wissenschaftler*innen sind es gewohnt, digital und mit neuesten Technologien zu arbeiten, da müssen wir als Serviceeinheiten in Richtung Transparenz und Informationen zur ‚Selbsthilfe‘ nachziehen.
FRAGE: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) ist einer der größten öffentlichen Förderer für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Deutschland. Frau Dr. Kaasch, wo können weitere Forschungsmittel beantragt werden?
Hier gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten. Neben der DFG fördern auf Bundesebene zum Beispiel das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) oder das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) Forschungsprojekte aus der Medizin. Zu nennen sind auch das Land Sachsen-Anhalt, Stiftungen wie die Volkswagen Stiftung, die Deutsche Krebsstiftung und die Wilhelm-Sander-Stiftung. Eines der größten europaweiten Förderprogramme ist Horizont 2020. Die EU stellt etwa 80 Milliarden Euro zur Verfügung, um Forschung und Innovation zu fördern. Erst vor kurzem konnte sich unsere Nachwuchswissenschaftlerin Dr. Esther Kühn mit ihrer Forschung zum Körpergedächtnis über die Auszeichnung mit dem ERC-Starting Grant, der Teil von Horizont 2020 ist, freuen. Das ist der höchste europäische Nachwuchsforscherpreis und für die junge Kollegin natürlich ein enormer Karriereschub und gleichzeitig eine Auszeichnung für die Medizinische Fakultät Magdeburg. Die Förderberatung übernehmen wir gern in Verbindung mit der Stabsstelle Forschungsförderung und dem EU-Hochschulnetzwerk.
FRAGE: Und was genau wird alles gefördert?
Was genau beantragt werden kann, hängt vom Förderer und dem entsprechenden Förderprogramm ab und die Komplexität ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Nur so viel sei gesagt: Um alle Möglichkeiten effizient zu nutzen, bedarf es viel Erfahrung, genauer Kenntnisse der Förderstrukturen und Förderorganisationen. Mein Team im Referat für Forschung und auch das Referat für Drittmittelverwaltung können hier bestmöglich unterstützen, sodass die Wissenschaftler*innen sich mehr auf ihre Forschungstätigkeiten konzentrieren können.
FRAGE: Welche Rolle spielen institutionelle Rahmenbedingungen bei der Forschungsförderung?
Reputation, Expertise am Standort, Excellenzen usw. schaden in der Regel nie. Je nach begutachtendem Gremium stehen aber insbesondere auch die Forschungsidee und in Ausschreibungsverfahren die Begutachtungskriterien im Vordergrund. Es braucht dann einen überzeugenden Antrag, der genau auf die Ausschreibung passt.
Die Rahmenbedingungen sind grundsätzlich durch die Hochschulfinanzierung für Forschung und Lehre seitens des Ministeriums für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung an die Medizinische Fakultät geregelt. Der Bund oder andere Förderer dürfen sich da auch nicht einmischen, verlangen aber in der Regel, dass eine gewisse Grundausstattung für Forschung zur Verfügung gestellt wird. Hinzu kommt die enge und kooperative Zusammenarbeit mit dem Universitätsklinikum A.ö.R. hier am Standort, wodurch die medizinische Fakultät mit ihren Forschungsaktivitäten auch zum Wohl der Patientenversorgung in Magdeburg beiträgt.
Hinzukommt: Die Nähe zu den anderen technischen Fakultäten der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg ist definitiv eine Stärke, die wir als medizinische Fakultät in Zukunft noch besser nutzen können und sollten.
Von immer größer werdender Bedeutung sind interdisziplinäre und/oder überregionale Forschungsverbünde. Magdeburg hat viel Potential aufgrund der Nähe und Kooperation mit außeruniversitären Einrichtungen wie dem Leibniz-Institut für Neurobiologie (LIN), dem Helmholtz-Institut für Infektionsforschung in Braunschweig (HZI), dem Max-Planck-Institut für Dynamik komplexer technischer Systeme (MPI) und dem Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE).
Für die interne Zusammenarbeit ist die Größe unseres Standortes von Vorteil. In der Fakultät wird ein enges und offenes Verhältnis gelebt und man kennt sich.
FRAGE: Epidemiologie boomt! Weltweit werden derzeit viele neue Forschungsvorhaben und Projekte rund um COVID-19 auf den Weg gebracht und öffentliche Gelder dafür zur Verfügung gestellt. Auch die Universitätsmedizin Magdeburg ist mit gut zehn Projekten beteiligt. Haben es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit ungewöhnlicheren Forschungsthemen jetzt schwerer?
Ganz bestimmt. Geld muss ja irgendwo herkommen. Zurzeit gibt es weniger Ausschreibungen zu anderen Forschungsthemen. Ich gehe aber davon aus, dass sich das mittelfristig wieder normalisiert.
FRAGE: Frau Dr. Kaasch, welche Herausforderungen muss die Universitätsmedizin Magdeburg noch meistern, um als Forschungsstandort sichtbarer zu werden?
In der neuen Zielvereinbarung der Universitätsmedizin Magdeburg mit dem Land Sachsen-Anhalt sind dazu bis 2024 wichtige Meilensteine definiert worden:
Die beiden Forschungsschwerpunkte Neurowissenschaften und Immunologie sollen im Rahmen des Zukunftskonzeptes Präzisionsmedizin: Intervention und Prävention (P:IP) enger zusammenwirken und interdisziplinär mit anderen Fakultäten kooperieren. Der Bereich der Medizintechnik soll als Querschnittsbereich etabliert werden. Neue innovative diagnostische und therapeutische Verfahren sollen entwickelt werden. Die Krankheits- und patientenorientierte Forschung soll gestärkt werden und dabei die Forschungsbereiche translationale Onkologie, muskulo-skelettale rekonstruktive Chirurgie Herz- und Gefäß-Medizin, Infektionsmedizin, Neurodegeneration und „Seltene Erkrankungen“ enger verzahnen. Neue Forschungsplattformen bzw. forschungsunterstützende Infrastrukturen, z.B. zum Next-Generation-Sequencing, zur nichtinvasiven und invasiven Bildgebung und zum Datenmanagement sollen eingerichtet werden.
Bei all diesen Herausforderungen kann und möchte das REFO strategisch und administrativ unterstützen. Grundsätzlich glaube ich, dass ein enger Austausch auf allen Ebenen, zwischen allen Disziplinen, Instituten, Kliniken, aber auch fakultätsübergreifend langfristig dafür sorgen kann, dass wir den Forschungsstandort Magdeburg weiter voranbringen. Auch wenn mir klar ist, dass das ein Kraftakt ist, investieren wir damit letztlich alle gemeinsam in eine höhere Attraktivität dieses Standortes. Das zieht gut ausgebildetes Personal an und motiviert unseren Nachwuchs hier zu bleiben. Gleichzeitig erhöht dieser ‚Standortfaktor‘ in der Regel auch die Chancen prestigeträchtige Fördermittel einzuwerben. Es lohnt sich also in jedem Fall!
In diesem Sinne, vielen Dank für das Gespräch!
Zur Person:
Dr. Heike Kaasch studierte zunächst Biologie an der Freien Universität Berlin. An der Vanderbilt University in Nashville (USA) wurde sie mit Forschungsarbeiten in den Neurowissenschaften zum Doktor der Philosophie promoviert. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin folgten Forschungsaufenthalte an der Charité Universitätsmedizin Berlin (Abteilung Experimentelle Neurologie) und am National Institute of Health, National Institute on Drug Abuse in Baltimore (USA). Dort hat sie Forschungsprojekte zur Untersuchung der Gehirnaktivität umgesetzt. Zuletzt arbeitete Dr. Heike Kaasch als wissenschaftliche Referentin beim DLR Projektträger in Bonn.
Das Referat für Forschung und das neue Referat für Drittmittel arbeiten eng zusammen. Sie befinden sich in Haus 1 auf dem Campus der Medizinischen Fakultät. Das REFO existiert seit 1991 und umfasst derzeit insgesamt 2,5 Mitarbeiterinnen.
(Quelle: Pressemitteilung der FME vom 22.09.2020)