Inventur in der Synapse
Magdeburger Neurowissenschaftler heben SynGO-Wissensdatenbank mit aus der Taufe
Synapsen sind mikroskopisch kleine Strukturen zur Informationsübertragung im Gehirn. Sie enthalten mehrere Tausend einzelner Proteine, die wie molekulare Maschinen zusammenwirken, um Denken, Fühlen und Erinnern zu ermöglichen. Ist die Funktion solcher Synapsenproteine gestört, können Hirnerkrankungen auftreten. Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Neurobiologie (LIN) und des Center for Behavioral Brain Sciences (CBBS) haben dazu beigetragen, viele dieser Synapsenproteine zu entschlüsseln. Nun arbeiten sie gemeinsam mit Kollegen der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg (OVGU) in einem internationalen Experten-Netzwerk mit, um das gegenwärtige Wissen über Synapsenbausteine und ihrer Gene in der SynGO-Datenbank zusammenzutragen.
Die neu geschaffene Datenbank erleichtert es, Zusammenhänge zwischen genetischen Variationen in der Ausstattung von Synapsen und geistigen Fähigkeiten oder Hirnerkrankungen beim Menschen zu erkennen. „Bisher fehlte eine Datenbank mit gesicherten Informationen zu allen synaptischen Proteinen, durch die man sich einfach durchklicken kann“, erklären die Magdeburger Neurowissenschaftler einhellig. Diese Lücke wird SynGO nun schließen. Unter dem Dach des internationalen Gene Ontology (GO) Konsortiums arbeiten im SynGO-Netzwerk 15 weltweit führende Labore zusammen. In einer ersten Version haben die beteiligten Forscher ihr Wissen in einer kuratierten Datenbank zusammengetragen und veröffentlicht. Sie steht jetzt allen Forschern weltweit zur Verfügung.
Systematisch haben die Beteiligten mehr als 1.100 individuelle synaptische Proteine und deren Gene erfasst und nach ihren Eigenschaften katalogisiert. Nutzer finden darin Informationen darüber, wo sich die Proteine innerhalb der Synapse befinden und welche Funktion sie haben. „Das Einzigartige an der SynGO-Datenbank ist, dass sie die derzeit weltweit umfassendste Informationsquelle für die Funktion von Synapsenbausteinen und ihrer Gene ist“, erklärt Prof. Dr. Eckart Gundelfinger, Geschäftsführender Direktor und Abteilungsleiter am LIN. „Somit können Erkenntnisse über genetisch bedingte synaptische Störungen und dadurch bedingte Krankheiten, die man Synaptopathien nennt, miteinander in Bezug gesetzt werden.“
„Die Signalübertragung zwischen Nervenzellen wird durch eine große Zahl von Proteinen gesteuert, die auf beiden Seiten einer Synapse wichtige Funktionen ausüben und wahrscheinlich von einigen tausend Genen kodiert werden“, so Dr. Michael Kreutz, Leiter der Arbeitsgruppe Neuroplastizität am LIN. In einem Artikel in der Zeitschrift Neuron konnten die SynGO-Mitglieder bereits zeigen, dass sich synaptische Gene im Laufe der Evolution kaum verändert haben und somit vom Wurm bis zum Menschen erhalten sind.
Prof. Dr. Daniela Dieterich vom Institut für Pharmakologie und Toxikologie an der OVGU erklärt: „Diese Synapsen-Gene sind funktionell viel empfindlicher gegenüber Mutationen im Vergleich zu anderen hirnspezifischen Genen. Variationen in synaptischen Genen hängen beispielsweise mit Intelligenz, Bildungsgrad, ADHS, Autismus und bipolarer Störung zusammen.“ Das heißt: Wenn in synaptischen Genen Mutationen auftreten, sind die Auswirkungen häufig schwerwiegender. Deshalb stellt die SynGO-Datenbank auch eine wichtige Ressource für die Forschung zu neuropsychiatrischen und neurodegenerativen Krankheiten dar.
Das SYNGO-Konsortium wurde 2015 in den USA gegründet. Aus Deutschland beteiligen sich neben Wissenschaftlern aus Göttingen die Magdeburger Forschergruppen um Prof. Dr. Eckart Gundelfinger (LIN), Dr. Michael Kreutz (LIN & Zentrum für Molekulare Neurobiologie Hamburg) und Prof. Dr. Daniela Dieterich (OVGU).
Die Datenbank ist frei zugänglich unter: www.SYNGOportal.org
Der Neuron-Artikel ist online verfügbar unter: https://www.cell.com/neuron/fulltext/S0896-6273(19)30427-1
Pressetext: LIN & OVGU
Die beteiligten Forscher aus Magdeburg: Dr. Rainer Pielot, Dr. Michael Kreutz, Prof. Dr. Daniela Dieterich, Dr. Karl-Heinz Smalla und Prof. Dr. Eckart Gundelfinger (v.l.n.r.). Auf dem Bild fehlt Dr. Maria Andres-Alonso (Foto: LIN/Reinhard Blumenstein).