CBBS Paper of the Year 2018
Orientierung im Alter und Glückshormon beim Furchtlernen - beste Publikationen 2018 der Magdeburger Neurowissenschaftler ausgezeichnet
Im Forschungszentrum Center for Behavioral Brain Sciences (CBBS), dem Zusammenschluss der Magdeburger Neurowissenschaftler, arbeiten über hundert Forscher an spannenden Themen von Fliegenhirn-Schaltkreisen bis zu menschlichem Lernverhalten und Demenz. Sie publizieren mehr als 100 wissenschaftliche Veröffentlichungen im Jahr und zeichnen traditionell die besten Publikationen mit Preisen aus. Die Preisträger 2018 in der Kategorie „humanexperimentelle Forschung“ haben die alternsbedingte Störung von Nervenzellen, denen wir unser Navigationsvermögen verdanken, nachgewiesen. In der Kategorie „tierexperimentelle Forschung“ wurde eine Studie zur Bedeutung von Dopamin-Neuronen beim Furchtlernen ausgezeichnet.
Es ist mittlerweile eine schöne Tradition: einmal im Jahr wählen die Magdeburger Neurowissenschaftler aus der Vielzahl ihrer wissenschaftlichen Publikationen die bedeutsamsten aus und ehren die Autoren der Studien mit Preisen. Die Auszeichnung im Bereich Humanforschung ging an das Team um Prof. Dr. Thomas Wolbers vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e. V. (DZNE) Magdeburg. In der Preis-Vorlesung berichtete Erstautor Dr. Matthias Stangl, dass das räumliche Orientierungsvermögen zu den komplexesten Fähigkeiten des menschlichen Geistes gehört. Im Alter lässt es nach, was die Lebensqualität sehr beeinträchtigen kann. „In unserer Studie wurde erstmals eine mögliche altersbedinge Störung der Zellen untersucht, die im menschlichen Gehirn eine Schlüsselrolle für unser Navigationsvermögen spielen, sogenannte Gitterzellen.“, so Dr. Stangl. Mit Hilfe einer innovativen Kombination von funktioneller Kernspintomographie und virtueller Realität konnten die Autoren zunächst zeigen, dass die Aktivitätsmuster der Gitterzellen bei älteren Versuchsteilnehmern – im Vergleich zu jungen Erwachsenen – deutlich instabiler waren. Darüber hinaus war diese Instabilität bei den Personen am stärksten ausgeprägt, die auch große Probleme in einer räumlichen Orientierungsaufgabe hatten. Diese Veränderungen im Gitterzellensystem könnten eine Ursache dafür sein, dass viele ältere Menschen Schwierigkeiten mit der räumlichen Orientierung haben. „Solche neurodegenerativen Prozesse im menschlichen Gehirn zählen ebenso wie Beeinträchtigungen der Orientierungsleistung auch zu den frühesten Symptomen der Alzheimer Erkrankung. Die im Rahmen der Studie entwickelten Aufgaben, Mess- und Analysemethoden könnten langfristig somit einen wertvollen Beitrag zur Diagnostik und Früherkennung von demenziellen Erkrankungen leisten.“, resümiert der Autor.
Die Auszeichnung im Bereich Tierforschung nahmen stellvertretend für das Sieger-Team die CBBS-Neurobiologen Prof. Dr. Volkmar Leßmann, Dr. Susanne Meis und Dr. Thomas Munsch aus dem Institut für Physiologie der OVGU entgegen. Die Autoren berichteten auf der Jahresversammlung, dass eine wichtige Überlebensstrategie für Mensch und Tier darin besteht, sich bedrohliche Ereignisse einzuprägen, um ihre Wiederholung zu vermeiden. Zuständig dafür ist das Furchtgedächtnis. In einer gemeinsamen Studie mit Wiener Kollegen um Wulf Haubensak fanden sie heraus, dass der Neurotransmitter Dopamin, der bisher vornehmlich als Vermittler von Belohnung und Motivation im Gehirn angesehen wurde, auch beim Abspeichern bedrohlicher Ereignisse im Furchtgedächtnis eine wesentliche Rolle spielt. „Unsere Arbeit identifiziert zunächst an Mäusen ein bislang unbekanntes neuronales Netzwerk aus Dopamin-Neuronen und Nervenzellen der Amygdala, dem „Furchtzentrum“, die in beide Richtungen miteinander verbunden sind. Dieses Netzwerk ist wichtig für die emotionale Bewertung von negativen Reizen aus der Umwelt. Aus der Vielzahl der Umgebungsreize werden diejenigen herausgefiltert, die für die Bildung des Furchtgedächtnisses relevant sind. Dieselben neuronalen Netzwerke sind auch beim Menschen an der Schmerzwahrnehmung und an Lernvorgängen beteiligt. Ausgehend von den im Mausmodell erhaltenen Erkenntnissen kann vermutet werden, dass beim Menschen eine fehlerhafte Funktion der Dopamin-Neurone an psychischen Störungen wie z.B. der posttraumatischen Belastungsstörung (PTSD) beteiligt ist. Zukünftige Untersuchungen könnten in dieser Hinsicht zeigen, ob eine Behandlung mit Dopamin-ähnlichen Medikamenten bei PTSD-Patienten sinnvoll erscheint.“, berichtet Prof. Leßmann.
Die Preisträger-Teams veröffentlichten ihre Studienergebnisse im vergangenen Jahr in den international renommierten Fachjournalen Current Biology und Nature Neuroscience, unter hier und hier.
Auf der Jahresversammlung des CBBS am 07. Februar überreichten die Sprecher des CBBS, Prof. Dr. Eckart Gundelfinger, Prof. Dr. Daniela Dieterich und Prof. Dr. Toemme Noesselt, zusammen mit dem Rektor der OVGU, Prof. Dr. Jens Strackeljan, den Preisträgern Schecks im Wert von insgesamt 1.000 Euro.
Die Wissenschaftler freuen sich: „Wir sind alle sehr stolz, die Auszeichnung für das beste Paper bekommen zu haben. Für unsere zukünftige Forschungsarbeit ist das ein toller Ansporn.“.
Das CBBS wurde 2007 als Exzellenzforschungszentrum der OVGU und als Dachorganisation der Magdeburger Neurowissenschaftler gegründet. Es hat derzeit über 100 Mitglieder aus sieben Fakultäten der OVGU, dem LIN und dem DZNE Magdeburg.
Weitere Informationen zu Aktivitäten des CBBS unter: www.cbbs.eu
Glückliche Preisträger: Volkmar Leßmann, Susanne Meis, Thomas Munsch sowie Johannes Achtzehn aus dem Wolbers-Labor (Mitte, von links nach rechts) mit CBBS-Sprechern Eckart Gundelfinger (links), Daniela Dieterich (rechts) und Toemme Noesselt (zweiter von rechts) und Rektor Jens Strackeljan (zweiter von links). Foto: LIN/Blumenstein