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Aktuelle Mitteilung


Parlamentarischer Abend des CBBS


 Am 02.04.2014 erfolgte der erste Parlamentarische Abend des CBBS im Kaiser-Otto-Saal des Kulturhistorischen Museums in Magdeburg. Der Abend war dem Thema gewidmet, wie effizient organisierte neurowissenschaftliche Forschung „made in Sachsen-Anhalt“ einen Mehrwert für das Land erzeugen und zur Lösung künftiger gesellschaftlicher Herausforderungen, wie sie auch durch den demographischen Wandel entstehen, beitragen kann.


Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Ernst TH. Rietschel, Vorstandsvorsitzender des Berliner Institutes für Gesundheitsforschung (BIG) und Präsidiumsmitglied der Deutschen Akademie der Technik- Wissenschaften acatech, nahm ebenso teil wie der Rektor der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Prof. Dr. Jens Strackeljan, der Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt Dr. Reiner Haseloff und der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Magdeburg Dr. Lutz Trümper.


Unter dem Motto: „Exzellenz mit Anwendungspotential – wie das Land Sachsen-Anhalt von den Neurowissenschaften profitiert“ wurde den Gästen ein ambitioniertes Programm aus Impulsreferaten und anschließenden Kurzvorträgen präsentiert.


©CBBS, Foto: B. Sliwka

 

Das Grußwort von Prof. Hans-Jochen Heinze:


In der griechischen Philosophie haben die Begriffe ‚Kairos’ und ‚Chronos’ eine zentrale Bedeutung. Chronos ist das ausgedehnte, fließende Kontinuum der Zeit; Kairos dagegen ist ein bestimmter Moment in diesem Fluss, nämlich der richtige Augenblick, der gut gewählte Zeitpunkt einer Entscheidung. Bedeutende Taten, so die alten Griechen, werden dann erreicht, wenn es gelingt, den Kairos, den richtigen Augenblick im Hier und Jetzt zu erkennen und zu ergreifen.

Einige der hier Versammelten werden sich vielleicht an einen gewissen Kairos an unserem parlamentarischen Abend vor zwei Jahren im LIN erinnern. Wir hatten einen Vortrag über Demographie, Gesundheitspolitik und Wissenschaft in Sachsen-Anhalt gehört, als Sie, Herr Ministerpräsident, aufstanden und spontan die Synthese von Gesundheitsversorgung, Neuro- und Ingenieurswissenschaften zum Thema einer neuen interministeriellen Arbeitsgruppe machten. (Ich kann mich noch gut an das überraschte Gesicht von Herrn Tullner erinnern, dem die Aufgabe hier sozusagen öffentlich anvertraut wurde). Offenbar hatten Sie den Augenblick, den Kairos, richtig gewählt: Die Arbeitsgruppe entwickelte ein differenziertes Konzept von ‚Autonomie im Alter’, das in der Planungsphase der vergangenen zwei Jahre zahlreiche Aktivitäten in der Wissenschaft und Wirtschaft des Landes stimuliert hat und das jetzt im Sommer in die Umsetzung gehen wird; das Ziel ist gesetzt: Wir wollen ein Beispielprojekt für die Versorgung einer alternden Gesellschaft in Europa entwickeln.

Tatsächlich konnten wir in den vergangenen Jahren hier in Magdeburg eine Reihe solcher gelungener Augenblicke erleben. Ein Beispiel ist das DZNE, das ja kürzlich eingeweiht wurde. Nicht nur erforderte die knappe Ausschreibung durch das BMBF seinerzeit von uns, dass wir ganz rasch eine Konzeption vorlegten; auch der Erfolg in der Endrunde in Heidelberg wurde schließlich abgesichert durch eine spontane ministeriellen Entscheidung, nämlich die Entscheidung, das DZNE-Gebäude zu bauen. Ein anderes Beispiel ist das neue LIN Gebäude: Henning Scheich kam 2006 spontan die Idee, im Abschlussgespräch nach einer erfolgreichen Evaluation des Leibniz-Instituts auf die katastrophale Bausubstanz des alten Instituts hingewiesen, und das tat er in so bewegenden Worten, dass die Gutachter in panischer Erwartung eines Einsturzes dieses Gebäude verließen und vehement einen Neubau empfahlen. Und schließlich STIMULATE, der Forschungscampus: Auch der profitiert nicht zuletzt von der vor zwei Jahren am parlamentarischen Abend im LIN projizierten Verbindung von Medizin und Technik.

Aber natürlich wissen wir auch: Spontane Entscheidungen können nur erfolgreich sein, wenn sie auf einer soliden langfristigen Entwicklungen beruhen. Und dafür sind die Neurowissenschaften in Magdeburg ein gutes Beispiel. Aus dem Wechselspiel von guter Forschung (die steht immer am Anfang) und kluger, verlässlicher Forschungspolitik wurden hier am Standort MD Strukturen aufgebaut, die Vorbildcharakter für Standorte in anderen Bundesländern haben. Das betrifft Berufungen, Großgeräte, außeruniversitäre Einrichtungen – und das betrifft die Organisationsform, das Center for Behavioral Brain Sciences. Das CBBS ist ein Forschungsverbund, der alle Neurowissenschaftler des Campus auf ein Thema verpflichtet: Das Verhalten und seine neurobiologischen Grundlagen. Diese gemeinsame Verpflichtung schafft ein Maximum an Synergismus und gemeinsame Nutzung von Ressourcen. Die Landesmittel für das CBBS sind zweifellos knapp bemessen, aber – sie sind immer verlässlich. Das hilft uns sehr, und dafür gebührt der Politik, die sich massiv für die Exzellenz der Forschung einsetzt, großer Respekt – Respekt nicht nur von uns, den hier arbeitenden Ärzten und Forschern, sondern vom Land insgesamt. Denn eines ist unbestreitbare Tatsache: Die Exzellenz der Forschung entscheidet ganz wesentlich über die Zukunft eines Landes, seine Leistungsfähigkeit und Attraktivität, entscheidet darüber, ob junge Leute mit Ideen hier studieren und hier ihre Zukunft aufbauen wollen.

Die Perspektiven des Hochschulsystems und der Karrierechancen junger Menschen sind auch ein zentrales Thema des Wissenschaftsrats. Und dem wird von Länderseite manchmal vorgetragen: Forschung sei gut, aber teuer; man könne doch junge Leute auch dadurch gewinnen, dass man Ihnen eine exzellente Lehre anbiete in Einrichtungen, die nicht forschen, sondern die sich nur auf die Lehre konzentrieren. Solche Einrichtungen wären wesentlich einfacher zu finanzieren.

Das klingt vielleicht zunächst plausibel, ist aber falsch, jedenfalls dann, wenn man diese Überlegungen generalisiert und auch die Schwerpunkte einbezieht. Denn: Exzellente Lehre und exzellente Forschung sind nicht zu trennen, das eine geht nicht ohne das andere. Das hat nichts mit Romantik im Sinne von Humboldt zu tun, sondern hat mit dem Wesen von exzellenter Lehre zu tun: Exzellente Lehre ist kein Aufschichten von Fakten, sondern ist Vermittlung von Wissenskompetenz, und die geht nur mit Forschung.

Am Beispiel der Medizin möchte ich Ihnen verdeutlichen, dass exzellente Lehre ohne exzellente Forschung nicht funktioniert; und es ist offensichtlich, dass eine exzellente Lehre für künftige Ärztinnen und Ärzte unabdingbar ist. Ich leite derzeit einen Ausschuss im WissRat, der Empfehlungen für die künftige Ausbildung in der Medizin erarbeitet. Wir haben dazu alle Modellstudiengänge evaluiert und zahlreiche Anhörungen durchgeführt, und das Ergebnis ist ganz eindeutig:

Die Unikliniken, die exzellente Forschung machen, die machen exzellente klinische Versorgung und exzellente Ausbildung. Zwischen Forschung und Klinik ist kein Widerspruch, im Gegenteil: Wissenschafts-Kompetenz, im Studium erworben, ist Voraussetzung für jede gute klinische Versorgung. Das gilt übrigens auch und zwar in gamz besonderem Mass für die Allgemeinmedizin; die Vorstellung, eines sog. Barfusmediziners in der Allgemeinmedizin, wie sie manchmal virgetragen wird, ist völlig abwegig.

Natürlich kostetet ein solcher Anspruch Geld; die Einheit von Forschung, Klinik und Lehre ist ja der Grund, weshalb zur Zeit 3⁄4 aller Uniklinika und im nächsten Jahr wohl alle Uniklinika massiv rote Zahlen schreiben. Das ist ja auch bekannt, und es wird intensiv über Änderungen der Finanzierung nachgedacht. MFT/ VUD beispielsweise fordern einen Systemzuschlag von 30 Mio. pro Uniklinikum und Jahr. Wie auch immer die Diskussion ausgeht, klar ist: Änderungen der Finanzierung müssen kommen, aber klar ist auch: Der Verteilungskampf wird hart. Um hier erfolgreich bestehen zu können, muss ein Uniklinikum eine klares, international hochkompetitives Forschungsprofil und ein entsprechendes klinisches Leistungsspektrum haben. Danach werden die Studenten entscheiden, wo sie studieren und vor allem wo sie später arbeiten wollen: Denn in Zukunft wird der individuellen Studiengestaltung wesentlich mehr Freiraum gegeben.

Jetzt aber zurück zu heute Abend und dem Anlass unseres parlamentarischen Abends: Im neurowissenschaftlichen Zentrum in Magdeburg lebt tatsächlich die Translation von Forschung in Klinik und Lehre. Daran hat die Politik des Landes maßgeblichen Anteil, die immer auch stolz auf diesen Schwerpunkt war. Sie, Herr Ministerpräsident, haben in Ihrer Regierungserklärung vom Mai 2011 ausdrücklich die Neurowissenschaften hervorgehoben.

Ich möchte Ihnen persönlich für diesen Einsatz danken, und ich möchte allen Parlamentariern danken, die sich für diese Sache verwenden. Als Dankeschön möchten wir Ihnen heute einen besonderen Kairos, einen besonderen Augenblick präsentieren, und zwar in Form von Vorträgen, in dem ausgewählte Aspekte von Forschungsorganisation und Forschungspraxis von hervorragenden Fachvertretern vorgestellt werden und über die wir anschließenden Empfang weiter diskutieren können.