CBBS Best Paper of The Year 2022
CBBS-Sprecherin und Sprecher Prof. Dr. Daniela Dieterich, Prof. Dr. med. Stefan Remy und Prof. Dr. med. Emrah Düzel überreichen den Preisträgern die Urkunden und Schecks. Fotos: Ritter/LIN
Sieger-Publikation:
Xenia Grande, Magdalena M. Sauvage, Andreas Becke, Emrah Düzel & David Berron, eLife, PMID: 36222669 |
Transversal functional connectivity and scene-specific processing in the human entorhinal-hippocampal circuitry
Tief im menschlichen Gehirn verborgen liegt der sogenannte entorhinale–hippokampale Schaltkreis. Diese Gruppe eng miteinander verwobener Regionen spielt eine Schlüsselrolle, wenn wir uns aus Erinnerungsbruchstücken an ganze Erlebnisse erinnern. Der entorhinale–hippokampale Schaltkreis ist gewissermaßen die „Gedächtnismaschinerie“ im Gehirn. Wie genau dieser Schaltkreis in der Lage ist, frühere Erlebnisse im Gehirn zu rekonstruieren, ist allerdings noch ein Rätsel. Eine große Herausforderung ist dabei die Größe dieser Hirnregionen - da sie insgesamt nicht viel größer als ein Finger sind, bleibt es schwierig, die Aktivität einzelner Regionen innerhalb des Schaltkreises im Menschen sichtbar zu machen.
Mit einer Kombination aus ultra-hochauflösender Bildgebung und modernen Analysemethoden ist uns dies jedoch gelungen und wir konnten die grundlegende Infrastruktur des Gedächtnisses im menschlichen Gehirn in einem noch nie dagewesenen Umfang und Präzision entschlüsseln. Wir zeigen erstmals im Menschen, dass kontextuelle Information von Erlebnissen entlang einer spezialisierten Route im entorhinalen–hippokampalen Schaltkreis verarbeitet wird. Auf einem zweiten, teilweise parallelen Weg zeigen wir jedoch, dass Erinnerungsbruchstücke möglicherweise früher integriert werden als bisher angenommen. Mit diesen Ergebnissen wurden neue Erkenntnisse aus dem Tierreich auf das menschliche Gehirn übertragen und können nun für weitere wissenschaftliche und klinische Anwendungen genutzt werden.
Unsere grundlegenden Erkenntnisse sind besonders interessant, weil die Alzheimer Erkrankung spezifisch in einer der von uns identifizierten Routen zu akkumulieren beginnt. Damit hat unsere Grundlagenforschung direkte klinische Relevanz. Einerseits durch mechanistische Folgestudien, um zu untersuchen inwiefern sich die Alzheimer Pathologie entlang des entorhinalen–hippokampalen Schaltkreises ausbreitet. Andererseits auch durch die Entwicklung und Optimierung diagnostischer Verfahren, die gezielt Gedächtnisinformationen in dieser Route abrufen und mit denen die Alzheimer-Krankheit hoffentlich früher als bisher erkannt und erfasst werden kann.
Sieger-Publikation:
Katarzyna M. Grochowska, Guilherme M. Gomes, Rajeev Raman, Rahul Kaushik, Liudmila Sosulina, Hiroshi Kaneko, Anja M. Oelschlegel, PingAn Yuanxiang, Irene Reyes-Resina, Gonca Bayraktar, Sebastian Samer, Christina Spilker, Marcel S. Woo, Markus Morawski, Jürgen Goldschmidt, Manuel A. Friese, Steffen Rossner, Gemma Navarro, Stefan Remy, Carsten Reissner, Anna Karpova & Michael R. Kreutz, The EMBO Journal, PMID: 36594364 |
Jacob-induced transcriptional inactivation of CREB promotes Aß-induced synapse loss in Alzheimer’s disease
Synaptische Fehlfunktionen, die durch das Amyloid-β Peptid verursacht werden, sind charakteristisch für das Anfangsstadium der Alzheimer Demenz (AD) und unmittelbar mit frühen kognitiven Einschränkungen verbunden. Wenig beachtet war bisher, dass Amyloid-β über noch unbekannte Mechanismen den Transkriptionsfaktor CREB inaktiviert. CREB ist von größter Relevanz für die Expression von Genen, die die sogenannte synaptische Plastitzität und damit kognitive Fähigkeiten gewährleisten. Dementsprechend geht seine auch als CREB shutoff bezeichnete Inaktivierung mit massiv eingeschränkter synaptischer Plastizität einher.
Wie kann CREB vor Inaktivierung geschützt werden, um die kognitive Flexibilität im Kontext von AD zu verbessern?
Dr. Anna Karpova und Dr. Michael R. Kreutz haben mit ihren Kollegen und Kolleginnen in Hamburg, Münster, and Magdeburg die Rolle der transkriptionellen Inaktivierung von CREB (sog. CREB shutoff) bei der Beeinträchtigung von hippocampalen Synapsen in einem etablierten Mausmodell für AD untersucht. Sie konnten zeigen, dass der intrazelluläre Transport eines Multiproteinkomplexes zum Zellkern - ausgehend von NMDA Rezeptoren, die für ihre Schlüsselrolle bei synaptischer Plastizität als auch bei Neurodegeneration bekannt sind - den CREB shutoff induziert. Dabei spielt das Protein Jacob als Bote zwischen Synapsen und Zellkern eine ambivalente Rolle, da es je nach physiologischem Status der Synapsen und der molekularen Identität des Signalosoms CREB akitivert oder inaktiviert. Im Gehirn von AD Patienten beeinflußt Amyloid-β die Zusammensetzung des Signalosoms dergestalt, dass CREB durch Verdrängung seines Co-Aktivators LMO4 inaktiviert wird. Dieser Befund veranlasste das Forschungsteam zu einem in silico Screen, bei dem unter 100.000 chemischen Verbindungen das relativ kleine Molekül Nitarsone als Substanz mit potentiell CREB shutoff unterdrückender Wirkung identifiziert wurde. Tatsächlich konnte experimentell bestätigt werden, dass Nitarsone die Bildung des für die Inanktivierung von CREB verantwortlichen Signalosoms blockiert. Mit Blick auf mögliche therapeutische Ansätze sind die Daten, wonach sich Nitarsone im Mausmodell für AD als hoch effektiv bei der Erhaltung synaptischer Plastizität und der Vermeidung kognitiver Defizite erwies, sehr ermutigend.